Mein Leben als PC
Schon wieder kommen diese lauten Kinder mit ihren schmutzigen Händen und starren mich erwartungsvoll an. Wenn ich ihnen dann aber Bilder aus dem Internet zeige mit ihnen Hausaufgaben mache, dann leuchten ihre Augen und ich bin froh, endlich wieder arbeiten zu können und zu zeigen was ich alles kann. Ich bin nämlich schon acht Jahre alt und die Leute aus dem Büro haben gesagt ich wäre zu alt, zu langsam und überhaupt gehöre ich in den Schrott. Das war nicht immer so.
Hier ist meine Geschichte!
Vor acht Jahren knisterte zum ersten Mal Strom durch mein Innenleben. Ich erwachte in einem großen Büro, zusammen mit zehn weiteren meiner Computerkollegen. Die Menschen waren alle so freundlich und freuten sich über unsere Anwesenheit. Wie wurden wir anfangs gelobt: neuste Technologie, wahnsinnig schnell, leistungsstark, der Mercedes unter den PC, wir schwebten im siebten Himmel.
Aber die Begeisterung hielt nicht lange an. Jahre später waren wir zu langsam, konnten dies nicht und konnten das nicht. Dabei waren wir immer zuverlässig und haben alles gemacht was die Menschen wollten. Trotzdem wurden wir teilweise geschlagen und übel beschimpft: „Ewig stürzt diese lahme Sch...kiste ab, ich schmeiße den Apparat bald aus dem Fenster!”
Auf einmal waren wir alt, zu langsam und nicht mehr geeignet für das Büro. Wir dachten schon unser letztes Computerstündchen hätte geschlagen und wir landen jetzt in einer großen Schrottpresse.
Unser Glück war, das ein Mann aus dem Büro einen Verein in Dortmund kannte wo wir noch gute Dienste leisten würden. Kurze Zeit später wurden wir dann von den Menschen aus dem Verein abgeholt und in einen Kellerraum gestellt. Auf einmal war alles wie vor acht Jahren. Die Menschen im Verein freuten sich über uns und plötzlich waren wir wieder tolle PC, schnell und überhaupt „Superkisten”! Als wir dann auf Tische gestellt wurden und die Verkleidung abgeschraubt wurde, befürchteten wir das Schlimmste. Unsere Sorgen waren aber unbegründet, denn zum ersten Mal in unserem Leben wurden wir von Innen gereinigt. War das eine Wohltat. Endlich hat mal jemand den Staub entfernt und wir konnten so richtig durchatmen. Selbst die weißen TippEx-Streifen, die die Blondine auf dem Bildschirm hinterlassen hatte, wurden entfernt. Unser komplettes Innenleben wurde überprüft, wie bei einer großen Inspektion. Ich bekam sogar ein doppelt so großes Gedächtnis verpaßt. Unsere Enttäuschung war anschließend groß als wir dann in einer Ecke abgestellt wurden. Hatten wir doch gedacht wir könnten wieder richtig arbeiten. Als ich so umschaute, sah ich, daß wir nicht allein waren. Da standen 50-70 von meinen Kollegen übereinander gestapelt herum und warteten was als nächstes passiert. Nach vier Wochen Urlaub wurden wir dann von den Vereinsmenschen in Kartons gepackt. Wir wurden zwar liebevoll mit Folie eingewickelt (schön warm) und konnten auch nicht umfallen, aber wir wußten nicht was uns jetzt erwartet. Aus den Schlitzen des Karton konnte ich erkennen, wie wir auf einmal auf einen LKW geladen wurden. Plötzlich wurde es Dunkel und wir wurden zwölf Stunden lang ganz schön durchgeschüttelt. Als es dann wieder hell wurde, sahen wir 25 Kinder die uns in einen großen Raum brachten. Schon eine Woche später konnten wir endlich wieder arbeiten. Zwar in einer neuen Sprache, aber das war uns egal, wir wurden wieder gebraucht. Daß es so gekommen ist verdanken wir den Menschen aus dem Verein.
Irgendwann werden wir wirklich zu alt sein (1 Computerjahr ist vergleichbar mit 5 Menschenjahren), aber bis dahin leisten wir unser Bestes.
Das war meine Geschichte und ich hoffe das meine jüngeren Kollegen es später auch in den Verein schaffen, wo Altes nicht schlecht ist und noch gute Dienste leistet.